Rezession: Was ist das und was sagen die Prognosen für Deutschland?

Redakteurin

Aktualisiert: 25. September 2023, 13:12 Uhr

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Deutschland befindet sich derzeit wirtschaftlich in einer prekären Lage. Seit Monaten liegt die Inflation deutlich über dem Zielwert von 2 Prozent, die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhte die Leitzinsen Mitte September 2023 zum 10. Mal in Folge. Das drückt auf die Konjunktur. Die wirtschaftlichen Aussichten sind nicht gerade rosig, wie zuletzt die EU-Kommission in ihrer Sommerprognose konstatierte. Droht Deutschland die Rezession?

Hier erfährst Du, was Rezession genau bedeutet und welche Auswirkungen sie auf uns deutsche Verbraucher haben könnte. 

Was bedeutet Rezession eigentlich?

Rezession ist ein Wort aus der Volkswirtschaftslehre und bezeichnet im Fachjargon den Rückgang der Konjunktur. Übersetzt heißt das: Die Wirtschaftsleistung eines Landes, also das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpft, es ist negativ.

Passiert das zwei Quartale hintereinander, spricht man von einer technischen Rezession. Hält die Phase über einen längeren Zeitraum an, folgt eine Depression. Man misst dabei das preis-, saison- und kalenderbereinigte BIP.

Kalender- und saisonbereinigt bedeutet, etwa die Zahl der Verkaufstage oder der Feiertage aus den Messzahlen herauszurechnen und die Jahresdaten somit vergleichbar zu machen. Preisbereinigt bedeutet grob, dass Preiseinflüsse, also Inflation, herausgerechnet werden.

Vor einer Rezession beginnt die Konjunktur in der Regel zu stagnieren. Ein erstes Anzeichen ist daher, wenn Berichte über die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage die allgemeinen Nachrichten dominieren. 

Stehen wir in Deutschland vor der Rezession?

Deutschland steckte bereits in einer Rezession, nachdem im vierten Quartal 2022 und (revidiert) im ersten Quartal 2023 die Wirtschaftsleistung rückläufig war. Im zweiten Quartal 2023 lag das Wirtschaftswachstum bei null.

Ob Deutschland erneut in eine Rezession rutscht, kommt es auf das Abschneiden der Wirtschaft in den kommenden beiden Quartale an. Die Öffentlichkeit erwartet dazu das Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Ende September 2023.

Wenn man den Experten aktuell lauscht, ist eine Rezession in Deutschland wahrscheinlich. In ihrer Sommerprognose senkte die EU-Kommission die Erwartung für das Wirtschaftswachstum der Eurozone für 2023 von 1,1 auf 0,8 Prozent. Für die Bundesrepublik erwarte man ein negatives Wachstum von 0,4 Prozent für 2023. Die größte Volkswirtschaft Deutschland ziehe damit den Durchschnittswert nach unten. Zuvor hatte auch der Internationale Währungsfonds eine negatives Wachstum für Deutschland in 2023 prognostiziert.

Folgende Graphik zeigt die BIP-Veränderungen, preis-, saison- und kalenderbereinigt, für die vergangenen Quartale. Der negative Wert für das 3. Quartal 2023 ist eine Schätzung von ifoCast, einem BIP-Prognose-Modell des Münchner ifo-Instituts.

Was passiert bei einer Rezession und wie kommt es dazu?

Eine Rezession macht sich meist so bemerkbar, dass die Nachfrage nach verschiedenen Gütern und Dienstleistungen abnimmt. Menschen kaufen weniger ein (halten sich beim Konsum zurück), das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sinkt und die Wirtschaftsleistung verschlechtert sich. Unternehmen bieten mehr an, als Konsumenten kaufen wollen. 

Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Ursprung einer Rezession in strukturellen Veränderungen liegt. Sobald Unternehmen zum Beispiel gezwungen sind, Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken oder ganz zu entlassen, ist eine Rezession möglich. 

Aber auch finanzielle Faktoren können dazu beitragen. Zum Beispiel, wenn Unternehmen während einer wirtschaftlichen Hochphase die Nachfrage überschätzen, zu viel in den Produktionsaufbau investieren und im Anschluss die Kapazitäten wieder zurückfahren müssen – oder wenn Unternehmen nicht ausreichend Geld für mehr Wachstum zur Verfügung haben.

In Deutschland stecken wir aktuell noch in keiner Rezession, jedoch könnte diese bald drohen. Denn die Corona-Pandemie und der Russland-Ukraine-Krieg haben die Wirtschaft global, aber eben auch hierzulande geschwächt. 

Lieferengpässe machen viele Güter teurer und auch gestiegene Energiekosten treiben die Preise nach oben. Vor allem darum liegt die Inflation in Deutschland aktuell bei 10 Prozent (Stand: September 2022). Doch anstatt dass Verbraucher nun Geld ausgeben, bevor es weniger wert wird, halten sie sich beim Kaufen zurück. Viele haben Angst, gestiegene Energiekosten nicht mehr stemmen zu können, und sparen, wo sie können.

Diese Folgen hat eine Rezession für …

den Arbeitsmarkt

Der Arbeitsmarkt wird von einer Rezession normalerweise am härtesten getroffen und im Extremfall lahmgelegt. Es droht ein Teufelskreis: Unternehmen mit stagnierenden oder abnehmenden Absatzzahlen entlassen Mitarbeiter oder schicken sie in Kurzarbeit. Dadurch verlieren die privaten Haushalte an Einkommen, was sich negativ auf das Konsumverhalten und damit auf die Konjunktur auswirkt. In der aktuell wirtschaftlich schwierigen Situation zeigt sich der Arbeitsmarkt aber überraschend stabil.

… die Kreditnachfrage

Bei der Kreditnachfrage geschieht ähnliches wie beim Konsumverhalten: Die Nachfrage nimmt ab oder bleibt aus. Das wiederum sorgt dafür, dass keine größeren Investitionen gemacht werden, die die Wirtschaft wieder ankurbeln könnten. 

den Immobilienmarkt

Immobilienpreise könnten in einer Rezession fallen. Verlieren die Haushalte wegen Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit an Einkommen, könnte eine Anschlussfinanzierung platzen oder die Kreditlast wird plötzlich zu hoch. Derzeit ist der Immobilienmarkt sehr angespannt. Während Bauzinsen derzeit auf hohem Niveau stagnieren, sind Immobilienpreise noch nicht deutlich gesunken. Eine Rezession könnte eine Kehrtwende markieren.

die Börse

Auch die Börse ist in aller Regel vom Rückgang der Konjunktur betroffen. Insbesondere, weil Unternehmen potenziell weniger Gewinn machen, kannst Du nicht länger mit soliden Dividenden rechnen. Vom letzten Börsencrash nach der Finanzkrise 2008 haben sich einige Firmen bis heute nicht ganz erholt. 

Anleger

Hast Du Geld in Aktien gesteckt, wird sich eine Rezession wohl auch in Deinem Depot bemerkbar machen. Branchen, die von der Rezession in der Regel besonders hart getroffen werden, sind das Baugewerbe, der Maschinenbau oder die Automobilwirtschaft. Hast Du besonders viele Aktien aus diesem Bereich im Portfolio, dürfte Dein Depotwert deutlich sinken. Wichtig ist daher, Deine Anlagen von vornherein ausreichend über Länder, Branchen und Währungen zu streuen. Statt Einzelaktien sind passive Indexfonds (ETFs), die die größten Aktien der Welt bündeln, oft die bessere Wahl. 

… die Zinsen

Eine Rezession lässt sich oft schon im Vorfeld anhand der Zinsentwicklung erkennen. Denn um die Konjunktur und den Konsum anzukurbeln, senken die Zentralbanken normalerweise den Leitzins. Dadurch werden Kredite und Konsum wieder attraktiver, weil Kreditzinsen und Sparzinsen sinken.

Aktuell stecken wir aber in einer Situation. Trotz schwacher Wirtschaft hat die Europäische Zentralbank (EZB) in den vergangenen Wochen die Leitzinsen mehrfach erhöht. Das tut sie, um die durch hohe Energie- und Lebensmittelpreise getriebene Inflation abzuschwächen.

Dabei geht es vor allem darum, Unternehmen, Investoren und Verbrauchern Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit zu beweisen. Eine Sache sind Preissteigerungen knapper Güter wie Energie und Lebensmittel – dagegen kann die EZB wenig tun. Sie kann aber dafür sorgen, dass Menschen die aktuellen Teuerungsraten nicht als das „new normal“ ansehen und pro-forma Preise erhöhen. Denn das erst wäre die gefährliche Spirale: Preise steigen, weil alle denken, das sie steigen.

So kommst Du mit Deiner Geldanlage durch eine Rezession

Ein Rückgang der Konjunktur und eine darauf folgende Rezession können Anlegern auch Chancen bieten. Mit dem sogenannten antizyklischen Rebalancing sorgst Du dafür, dass Dein Portfolio wieder auf die Ausgangsgewichtung zurückfällt, zum Beispiel 70 Prozent Aktien, 30 Prozent Anleihen. 

In einer Aufschwungphase werden teuer gehandelte Werte, etwa Aktien, verkauft (Du nimmst also Gewinne mit). Mit dem Erlös kaufst Du aber sicherheitsorientierte Werte wie Anleihen nach. 

Wenn der Aktienmarkt in einer Rezession nachgibt und sichere Anlagen an Wert gewinnen, solltest Du letztere verkaufen und (riskantere) Aktien günstig nachkaufen. Idealerweise ziehen diese, ist die Rezession überwunden, als erste wieder an. 

Eine Garantie dafür gibt es natürlich nicht. Eine andere Strategie kann es sein, jeden Monat einen kleineren Betrag im Sparplan anzusparen, zu hohen wie auch zu niedrigen Kosten. Du musst dann keine Sorge haben, den optimalen Ein- und Ausstiegszeitpunkt „zu verpassen“.

Experten warnen davor, bei einem Aktienausverkauf mitzumachen. Bis Du als Anleger mitbekommst, dass große Investoren ihre Aktienbestände abstoßen, ist der Preis schon so weit gesunken, dass Du oft mit Verlust verkaufst. Statt in Panik zu geraten, denk besser an die sog. „Buy and hold“ Strategie. Oder wie es Börsenguru Kostolany sagte: 

„Packen Sie das Geld aufs Konto und legen Sie sich ein paar Jahrzehnte schlafen“. Kleinere Abschwünge sind auf lange Sicht nicht so furchterregend – und werden häufig ausgeglichen. 

So lässt sich eine Rezession überwinden

Verschiedene Ansätze können dazu beitragen, die Rezession zu überwinden. Primär müssen der Staat und die Zentralbanken handeln. Während die Zentralbanken lediglich den Leitzins beeinflussen können und hoffen müssen, dass dies als Konsumanreiz wirkt, hat der Staat Möglichkeiten, den Konsum direkt anzukurbeln. 

So kann er beispielsweise Steuern senken, günstige Kredite anbieten oder Beschäftigungsprogramme auf den Weg bringen, die den Arbeitsmarkt fördern. Auch das Entlastungspaket gegen die hohen Energie- und Kraftstoffpreise dürfte sich positiv auf den Geldbeutel und die Gemüter auswirken. Schließlich können auch größere Investitionen wie Bauvorhaben den Geldumlauf anregen. 

Du als Privatperson kannst leider an einer Rezession nicht viel ändern. Für Dich sollte der Schutz Deines Geldes im Vordergrund stehen. 

Das kannst Du aus dem Text mitnehmen

Als Einzelperson kannst Du eine Rezession kaum abwenden. Du kannst aber einiges tun, um möglichst gut durch den wirtschaftlichen Abschwung zu kommen. Für Deine Geldanlage gilt: Vermeide Panikverkäufe, sondern sitze mit langfristigen und breit gestreuten Anlagen, etwa einem weltweiten ETF, den Zyklus lieber aus. 

Wenn sich einzelne Anlageklassen während einer Rezession stark im Wert verändern, kannst Du antizyklisch handeln. Verkaufe die gewinnbringenden Anlagen und kaufe billigere (weniger nachgefragte) Anlagen nach. Das sind diejenigen, die sich nach einer Rezession womöglich am schnellsten erholen. 

Darüber hinaus versuchen Staat und Zentralbank ihr Übriges zu tun, um die Rezession zu bekämpfen. Förderkredite, ein Maßnahmenpaket gegen hohe Energiepreise und Steuersenkungen sind nur eine Variante.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Rezession

Was ist eine Rezession?

In volkswirtschaftlicher Fachsprache bedeutet Rezession, dass die Konjunktur zurückgeht – also die Wirtschaftsleistung eines Landes (BIP) abnimmt. Ganz allgemein: Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich.

Was bedeutet eine Rezession für die Bürger?

Was passiert mit Schulden bei einer Rezession?

Wer profitiert von einer Rezession?

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