EZB erhöht Leitzins auf 4,5 Prozent: Gründe und Folgen

Redakteurin

Aktualisiert: 05. Oktober 2023, 13:07 Uhr

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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am 14. September 2023 die Leitzinsen erneut erhöht, um 0,25 Prozentpunkte.

  • Der Hauptrefinanzierungssatz (oberster Kreditzins) liegt damit künftig bei 4,5 Prozent.
  • Der Einlagenzins, der die Sparzinsen für Verbraucher maßgeblich bestimmt, bei 4 Prozent.

Das erste Mal hatte die EZB am 21. Juli 2022 die Leitzinsen angehoben und markierte damit die Zinswende. Es folgten bis heute 10 Zinsschritte. Grund war die Rekordinflation von 10,4 Prozent im Oktober 2022, die mit 10 Prozent im November weiterhin auf hohem Niveau verharrte. In den folgenden Monaten sank die Inflation, allerdings spielten die staatlichen Entlastungen bei Gas und Fernwärme eine Rolle.

Im August 2023 lag die Inflationsrate bei noch 6,1 Prozent. Grund zum Aufatmen ist dies aber noch nicht. Denn die Notenbank muss vor allem die Inflationserwartungen der Wirtschaftsteilnehmer und die sog. Kerninflation senken. Es geht dabei auch um die Glaubhaftigkeit der EZB. Und hier gibt es noch etwas zu tun. Lies dazu mehr im Kapitel weiter unten im Text: „Wie sieht die aktuelle Zinsprognose aus“.

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Im Artikel beschreiben wir zunächst kurz vorab, was hinter den Zinserhöhungen steckt und mit was wir weiter rechnen können. Anschließend erklären wir, was Leitzinsen eigentlich sind und noch einmal ausführlicher, wie Inflation und die EZB-Politik zusammenhängen. 

Wer lieber zuhört, kann auch einmal in den Podcast „Man lernt nie aus“ zum gleichen Thema reinhören.

Was hinter der Leitzinserhöhung steckt

Die Theorie besagt: Solange (Leit-)Zinsen (wie in den vergangenen Jahren) niedrig sind, animiert dies uns Menschen, Geld auszugeben. Mit dem Konsum steigt die Nachfrage nach Gütern und damit steigen die Preise.

Das kann das zu einer Inflation führen, zur sog. nachfrageinduzierte Inflation. Normalerweise erhöht die Notenbank dann die (Leit-)Zinsen, Sparen wird wieder attraktiver, die Leute konsumieren weniger und die Preise gehen zurück.

Im Moment steigen die Preise jedoch, weil Energie und andere Wirtschaftsgüter knapp sind. Man sagt, die Inflation ist angebotsinduziert. In dem Fall funktioniert der oben beschriebene Mechanismus nicht.

Die Notenbanken der Welt heben die Zinsen aktuell trotzdem an, weil sie verhindern wollen, dass Wirtschaftsteilnehmer die hohen Inflationsraten als neue Normalität ansehen und sie einpreisen, also fest mit einkalkulieren.

Die Notenbanken müssen reagieren, um Glaubwürdigkeit zu bewahren, für stabile Preise sorgen zu können, mit denen Wirtschaft und Verbraucher planen können. Mittelfristig kann diese Strategie aufgehen.

Welche kurzfristigen Folgen die Leitzinserhöhung hat

Kurzfristig animieren höheren (Leit-)Zinsen allerdings zum Sparen. Bzw. wir Menschen geben das Geld, das wir haben, für die teure Energie aus, und können kaum noch etwas anderes konsumieren. Obwohl wir also de facto auf Konsum verzichten, sinkt die Inflation trotzdem erstmal nicht. Knappe Güter bleiben knapp (und teuer).

Folgen für die Wirtschaft: Schleppender Konsum und ggf. Produktionsausfälle können die Wirtschaft vorübergehend in eine Rezession führen. Eine Rezession gibt es dann, wenn die Wirtschaft eines Landes zwei Quartalen hintereinander schrumpft. Dann gehen ggf. Jobs verloren, Steuereinnahmen brechen ein etc.

Folgen für Sparer: Es gibt wieder Guthabenzinsen auf Tagesgeldkonten und Festgeldkonten. Das Verwahrentgelt für große Geldbeträge auf dem Girokonto fällt bei den allermeisten Banken weg. Kredite, insbesondere Immobilienkredite, werden teurer.

Einige der ungewünschten wirtschaftlichen Folgen lassen sich ggf. durch staatliche Maßnahmen eindämmen. Lies dazu auch unseren Artikel zum Entlastungspaket.

Was ist der Leitzins?

Der Leitzins ist sozusagen der oberste Kreditzins. Er ist das Instrument Nummer eins der Notenbanken weltweit, um die Geldmenge (direkt) und die Höhe der Verbraucherpreise (indirekt) zu steuern.

Die sogenannte Hauptrefinanzierungsfazilität ist der eigentliche Leitzins. Daneben gibt es zwei weitere EZB-Zinsen, den Spitzenrefinanzierungssatz und den Einlagenzins. Manchmal werden auch alle drei Zinsen als die Leitzinsen bezeichnet.

Hauptrefinanzierungssatz

Der Hauptrefinanzierungssatz gibt vor, zu welchen Konditionen sich Banken über einen längeren Zeitraum – zwischen zwei Wochen und drei Monaten – Geld von der EZB leihen können. Das Zentralbankgeld wird über ein Auktionsverfahren an die Banken vergeben und landet auf deren Konto bei der Zentralbank. Die Banken müssen dafür Sicherheiten hinterlegen, meist sind das Anleihen oder Pfandbriefe. 

Im Idealfall geben Banken dann das geliehene Geld mit einem Zinsaufschlag über Kredite an Unternehmen oder Privatleute weiter und setzen so den Anreiz für Konsum und Investitionen. Nach jahrelangen Nullzinsen hat die EZB den Leitzins am

  • 27. Juli auf 0,5 Prozent erhöht,
  • zum 14. September weiter auf 1,25 Prozent,
  • zum 2. November auf 2 Prozent,
  • zum 21. Dezember auf 2,5 Prozent,
  • zum 8. Februar auf 3 Prozent,
  • zum 22. März auf 3,5 Prozent,
  • zum 20. Mai auf 3,75 Prozent,
  • zum 21. Juni auf 4 Prozent,
  • zum 2. August auf 4,25 Prozent und
  • zum 20. September auf 4,5 Prozent.

Spitzenrefinanzierungssatz

Der Spitzenrefinanzierungssatz liegt in der Regel höher als der Hauptrefinanzierungssatz, ab dem 20. September bei 4,75 Prozent. Banken zahlen ihn, wenn sie kurzfristig (über Nacht) mehr Geld benötigen, um zahlungsfähig zu bleiben. Es ist also ein dringender Kredit, daher sind die Zinsen, die die EZB verlangt, höher. Alternativ haben Banken immer die Möglichkeit, sich bei anderen Banken über Nacht (und idealerweise etwas günstiger) Geld zu besorgen.

Einlagezins

Der Einlagezins liegt immer unter dem Hauptrefinanzierungssatz. Es ist der Zins, den Banken bekommen, wenn sie überschüssiges Geld über Nacht auf ihrem Zentralbankkonto parken. Ab 2020 lag der Einlagenzins bei minus 0,5 Prozent; Banken mussten der EZB in dem Fall Geld bezahlen, um es zwischenzuparken. Erst am 21. Juli 2022 schaffte die EZB diesen Negativzins ab. Folgende Einlagezinsen galten/gelten:

  • Vor dem 14. September 2022 lag der Einlagenzins bei 1,25 Prozent,
  • zum 2. November 2022 stieg er auf 1,5 Prozent,
  • zum 21. Dezember 2022 auf 2 Prozent,
  • zum 8. Februar 2023 auf 2,5 Prozent,
  • zum 22. März 2023 auf 3 Prozent,
  • zum 20. Mai 2023 auf 3,25 Prozent,
  • zum 21. Juni 2023 auf 3,5 Prozent,
  • zum 2. August 2023 auf 3,75 Prozent und
  • zum 20. September auf 4 Prozent.

Vom Einlagesatz leiten sich die Sparzinsen für unser Girokonto oder Tagesgeldkonto ab. Viele Banken hatten den Negativzins der EZB direkt weitergegeben, etwa an Kunden, die mehr als 25.000 Euro auf ihrem Girokonto liegen haben. Als die Zinsen ins Positive drehten, schafften Banken negative Einlagezinsen großflächig ab. Immer mehr Banken reagieren mit deutlich besseren Angeboten beim Festgeld oder Tagesgeld.

Welche Auswirkungen hat ein niedriger und hoher Leitzins?

Über den Leitzins lässt sich die Geldmenge beeinflussen, was wiederum die Preise beeinflusst. Doch wie wirkt sich ein bestimmter Leitzins genau auf Verbraucher und Unternehmen aus?

Das bedeutet ein niedriger Leitzins

Ein niedriger Leitzins bedeutet, dass Banken Geld günstig abrufen können. Das Angebot an Geld steigt kurzfristig. Jeder existierende Euro verliert damit etwas an Wert und diese Geldentwertung macht sich über steigende Preise bemerkbar. 

Genauer entstehen die höheren Preise dadurch, dass Verbraucher lieber sofort konsumieren, als dass sie die Geldentwertung auf dem Sparkonto dulden. Steigt die Nachfrage nach Gütern, steigen die Preise. 

Gleichzeitig animieren günstige Kreditzinsen und eine höhere Nachfrage der Konsumenten Unternehmen, in ihre Produktion zu investieren, also etwa ihr Geschäft zu vergrößern. Mehr Angebot an Gütern würde die Preise dann wieder etwas sinken lassen. 

Idealerweise soll sich die Preissteigerung so auf etwa 2 Prozent pro Jahr einpendeln. 

Die Zentralbank wird den Leitzins dann absenken bzw. niedrig halten, wenn sie beobachtet, dass Preise stagnieren. Die Zinssenkung soll dann wie ein Impuls wirken, der Verbraucher und Unternehmen wieder aktiv werden lässt. 

Das bedeutet ein hoher Leitzins

Ein hoher Leitzins bedeutet, dass es für Banken teuer ist, neues Zentralbankgeld abzurufen. Sie tun dies also tendenziell weniger, das Angebot an Geld sinkt. Jeder existierende Euro gewinnt damit etwas an Wert. Die gleiche Ware wird billiger. 

Genauer entstehen die niedrigeren Preise dadurch, dass Verbraucher ihren Konsum lieber etwas aufschieben und stattdessen mehr sparen, weil es auf dem Sparbuch Zinsen gibt – das Sparen also belohnt wird. Sinkt die Nachfrage nach Gütern, sinken die Preise. 

Gleichzeitig bremsen teurere Kreditzinsen und eine geringere Nachfrage der Konsumenten die Investitionsvorhaben von Unternehmen. Eher würde man das bestehende Geschäft am Laufen halten. Gleiches oder geringeres Angebot an Gütern würde die Preise wieder etwas steigen lassen. 

Die Zentralbank wird den Leitzins dann anheben bzw. auf einem höheren Niveau belassen, wenn sie beobachtet, dass Preise zu sehr anziehen, die Wirtschaft „überhitzt“. Die Zinssteigerung soll dann wie ein Dämpfer wirken. 

Wer legt den Leitzins fest?

Der EZB-Rat, das oberste Gremium der Notenbank, bestehend aus 25 Mitgliedern. Der Rat tagt normalerweise zweimal im Monat und blickt auf die wirtschaftliche Gesamtlage, stellt Prognosen zu Konjunktur und Inflation an.

Alle sechs (manchmal sieben) Wochen fasst sie darauf aufbauend dann einen „geldpolitischen Entschluss“, legt also die Leitzinsen fest. 

Den Beschluss verkündet EZB-Chefin Christine Lagarde dann in einer Pressekonferenz. Diese findet immer an einem Donnerstagnachmittag um 14.30 Uhr in den Räumen der EZB in Frankfurt am Main statt. 

Die nächsten Termine, an denen sich die EZB zum Leitzins äußern wird, sind:

  • 26. Oktober 2023
  • 14. Dezember 2023
  • 1. Februar 2024

Warum ändert sich der Leitzins?

Die EZB strebt „stabile Preise“ an. Praktisch heißt das, dass der Leitzins die Geldmenge bestenfalls so ansteigen lässt, dass sich die Verbraucherpreise jährlich um 2 Prozent erhöhen

Die EZB wird über eine Änderung des Leitzinses immer dann nachdenken, wenn sich abzeichnet, dass die tatsächliche Preisentwicklung über eine längere Zeit von diesen 2 Prozent abweicht. 

Dies ist meist in bestimmten Konjunkturphasen der Fall: Eine (zu) geringe Inflation sehen wir meist in Phasen, in denen die Wirtschaftsleistung stagniert, die Konjunktur „schwächelt“ (wie während der Corona-Pandemie 2020 und 2021). 

Eine (zu) hohe Inflation kann dagegen vorkommen, wenn die Wirtschaft „brummt“. In dem Fall produzieren Unternehmen an der Obergrenze ihrer Kapazitäten. Verbraucher fragen mehr nach, als produziert werden kann. 

Indem die EZB über den Leitzins Geldmenge und Preisentwicklung steuert, kann sie idealerweise auch Impulse für die Konjunktur – die gesamtwirtschaftliche Lage – setzen. Dies kommt ihrem nachgelagerten Ziel zugute: ein „angemessenes Wirtschaftswachstum“ zu unterstützen.

Warum strebt die EZB 2 Prozent Inflation an?

Das hat in erster Linie psychologische Gründe. Es geht darum, einen Anreiz für Verbraucher und Unternehmen zu schaffen, zu konsumieren und zu investieren – und damit die Wirtschaft am Laufen zu halten. 

Die Idee: Sofern die moderate Geldentwertung von der Notenbank glaubhaft vermittelt wird, geben Verbraucher eher Geld aus, bevor es auf dem Sparkonto weniger wert wird. Mitarbeiter sind motivierter, weil sie mit einer Lohnsteigerung auf dem Papier rechnen können. Unternehmen können auf höhere Preise beim Absatz ihrer Produkte hoffen.

Wegen der Geldentwertung können sich Arbeitnehmer praktisch nicht wirklich mehr leisten, Unternehmen machen real keine höheren Gewinne. Nominal stehen aber höhere Summen auf dem Papier. Das genügt aber, dass Wirtschaftsteilnehmer aktiv werden und eine Wirtschaft nicht stagniert.

So hat sich der Leitzins im Zeitverlauf entwickelt

In den Jahren nach der Finanzkrise haben EZB und Fed den Leitzins immer weiter gesenkt, am Ende bis auf null. Zusätzlich haben die Notenbanken Staatsanleihen angekauft. Die EZB kaufte auch Staatsanleihen hochverschuldeter EU-Länder – und gab diesen so (günstige) Kredite

Die Notenbanken gaben damit viel günstiges Geld in den Markt, mit dem Ziel, die Wirtschaft am Laufen zu halten – und im Falle der EZB die Eurozone zusammenzuhalten. Auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise 2012 verkündete der damalige EZB-Chef Mario Draghi, er werde „alles tun, um den Euro zu retten.“

Angesichts einer Rekordinflation von mindestens 10 Prozent in der Eurozone und ebenfalls 10 Prozent in Deutschland im September 2022 nahm der Druck auf die Notenbanken zu, die Geldentwertung zu stoppen und die Inflationserwartungen in den Griff zu bekommen. Dabei spielt der Leitzins eine entscheidende Rolle. Die angestrebte Inflation liegt eigentlich bei 2 Prozent. 

Die US-Notenbank Fed hatte am 15. Juni 2022 den Leitzins überraschend um 0,75 Prozent auf einen Korridor von 1,5 bis 1,75 Prozent angehoben, erhöhte Ende Juli 2022 weiter auf einen Korridor von 2,25 – 2,5 Prozent, zum Oktober schließlich auf 3,75 – 4 Prozent, im Dezember auf 4,25 – 4,5 Prozent, im Februar auf 4,5 bis 4,75 Prozent, im Mai auf 5 – 5,25 Prozent und Ende Juli auf 5,25 – 5,5 Prozent; das höchste Niveau seit 2001.

Die EZB erhöhte die Leitzinsen erstmals am 21. Juli 2022 um 0,5 Prozentpunkte. Zum 14. September und 2. November stiegen sie um jeweils 0,75 Prozentpunkte. Der Hauptrefinanzierungssatz (oberster Kreditzins) lag ab 21. Dezember bei 2,5 Prozent, ab 8. Februar bei 3 Prozent, ab 22. März bei 3,5 Prozent, ab 20. Mai bei 3,75 Prozent, ab 21. Juni auf 4 Prozent, ab 2. August auf 4,25 Prozent und zum 20. September auf 4,5 Prozent.

Die Gefahren der Zinsentwicklung

Die Herausforderung für die Zentralbank ist es, den Leitzins stets so zu justieren, dass Verbraucherpreise dauerhaft um 2 Prozent steigen. In der Theorie ist dies jedoch leichter als in der Praxis. 

Vor allem, weil sich Inflation nicht immer über eine höhere Nachfrage nach Gütern ergibt, sondern bisweilen auch durch zu knappes Angebot.

Und so kommt die Zinspolitik der EZB auch an Grenzen bzw. bringt eine bestimmte Zinsentwicklung auch Probleme mit sich. Die wichtigsten haben wir für Dich zusammengetragen.

1. Wenn Nullzinsen keine Wirkung mehr zeigen

Es gibt Situationen – etwa die Staatsschuldenkrise 2012 oder der Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 – in denen Preise nicht steigen, obwohl viel billiges Geld zur Verfügung steht. Grund ist, dass Verbraucher wie Unternehmen die gesamtwirtschaftliche Lage skeptisch betrachten und eher zurückhaltend agieren.

2. Wenn eine Zinserhöhung keine Wirkung zeigt

Umgekehrt gibt es auch Situationen, in denen eine Zinserhöhung kaum etwas nützen dürfte. Nämlich dann, wenn die Preise aufgrund eines knappen Angebots steigen und nicht aufgrund der Geldmenge. Die Zinspolitik stößt an Grenzen.

Nach dem ersten Corona-Schock etwa fuhren Unternehmen 2021 ihre Produktion wieder hoch. Das ließ nicht nur die Nachfrage nach und Preise für Energie steigen. Auch viele importierte Bestandteile von Gütern oder Rohstoffe waren nun knapp und damit deutlich teurer. 

Als nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine Gas und Öl noch knapper und teurer wurden und sich das auf Strom- und Benzinpreise auswirkte, kletterte die Inflation in Deutschland bis auf 10 Prozent im September 2022.

3. Lohn-Preis-Spirale

Wenn eine (hohe) Inflation zu lange dauert und die Lebenshaltungskosten deutlich steigen, werden Angestellte früher oder später mehr Lohn von ihren Arbeitgebern fordern – als Inflationsausgleich. 

Im schlimmsten Fall ergibt sich eine sog. Lohn-Preis-Spirale. In dem Fall würden Unternehmen die höheren Lohnkosten auf die Preise umlegen – was die Inflation weiter befeuert.

Eine Notenbank müsste hier entschieden eingreifen und Leitzinsen erhöhen, um die Inflation zu drücken. Ist die Wirtschaft dann jedoch nicht stark genug aufgestellt, besteht die Gefahr einer Rezession. 

So beeinflussen die Leitzinsen Sparer

Während Kreditnehmer von niedrigen Zinsen profitieren, ist es für Sparer umgekehrt. Niedrige (negative) Einlagenzinsen bedeuten Null- oder Strafzinsen auf Girokonto oder Tagesgeldkonto. 

Mit der „Zinswende” vom Juli 2022 und den anschließenden Zinssteigerungen kletterten auch die Sparzinsen wieder. Wer für 12 Monate 5.000 fest anlegt, erhält im August 2023 bestenfalls 4,1 Prozent Zinsen pro Jahr gutgeschrieben. Erfahre mehr im Festgeld-Vergleich.

Auch haben Banken nun flächendeckend Strafzinsen für hohe Guthaben abgeschafft. Der Einlagenzins, den die EZB Banken für Bareinlagen zahlt, liegt ab dem 20. September bei 4 Prozent. Im vergangenen Jahr noch war dieser Zins auch einmal negativ, das heißt Banken mussten draufzahlen, wenn sie Geld bei der Zentralbank parken wollten.

So kannst Du die Zinsentwicklung für Dich nutzen

Im August 2023 beobachten wir steigende Sparzinsen, stagnierend hohe Kreditzinsen und eine Inflation von 6,1 Prozent. Wir haben ein paar Tipps gesammelt, wie Du dies am besten für Dich nutzt.

Immobilien

Überlege gut, wenn Du jetzt eine Immobilie kaufst. Kreditzinsen hatten sich im Jahr 2022 verdreifacht. Laut dem Immobilienfinanzierer Dr. Klein blieben die Zinsen für Immobiliendarlehen seit Jahresbeginn auf vergleichsweise hohem Niveau stabil (rund 3,6 Prozent für 10 Jahre Zinsbindung). Gleichzeitig sinken die Immobilienpreise deutschlandweit nur langsam, in Berlin steigen sie sogar weiter.

Eine Immobilie lohnt sich daher noch am ehesten, wenn Du Dir sicher bist, dass Du sie auch selbst nutzt und einen beträchtlichen Teil des Kaufpreises aus Eigenkapital stemmen kannst. Bewohnte Immobilien als Kapitalanlage zu finanzieren wird immer teurer und kann durch die geringen Bestandsmieten kaum mehr aufgewogen werden. Du zahlst also wahrscheinlich drauf.

Geldanlage

Wegen der geringen Sparzinsen lautete lange die Devise, Geld in sogenannte Sachwerte anzulegen, statt auf dem Konto liegen zu lassen. Dazu zählen Immobilien, aber auch Aktien. Allerdings gehen die hohen Immobilienpreise nur sehr zögerlich zurück, während die Finanzierung heute deutlich teurer ist als noch vor einem Jahr. Auch die Aussichten der Weltwirtschaft sind eher mau, was den Aktienmarkt belasten kann. 

Dafür kehren die Sparzinsen zurück. Auf schwedisches Festgeld mit Laufzeit 12 Monate gibt es im August 2023 für 5.000 Euro 4 Prozent Zinsen. Negativzinsen auf Girokonten sind nahezu verschwunden. Das gleicht die Inflation zwar lange nicht aus, ist aber ein erster Schritt.

Eine pragmatische Lösung: Streue Deine Geldanlagen. Lege etwas langfristig in internationale Aktien an (mittels ETFs), behalte etwas Geld auf der hohen Kante. Wenn es Dir um Werterhalt geht, kannst Du auch bis zu 10 Prozent Deines Vermögens in Gold investieren. Überlege Geld, das Du für ein, zwei Jahre entbehren kannst, bei einer Bank zu lassen, die Dir etwas höhere Zinsen bietet. Schau hier in unseren Festgeld-Vergleich.

Kryptowährungen

Wir raten davon ab, in spekulative und stark schwankende Produkte wie Kryptowährungen zu investieren. Dass manche traditionelle Geldanlagen nicht mehr ganz so attraktiv sind, heißt nicht, dass Du plötzlich mit Bitcoin und Co. leicht Gewinne machst. Im Gegenteil, im Jahr 2022 haben Kryptowerte immens an Wert verloren und der Kursverfall hält bis heute an. Man sprach auch vom Krypto-Winter. Du kannst also viel verlieren. Lege daher höchstens Geld in Kryptowährungen und Co. an, das Du nicht brauchst („Spielgeld“).

Energie sparen

Reduziere Deinen Verbrauch von Strom, Gas und Benzin soweit möglich, zum Beispiel durch eine eigene (eventuell geförderte) Solaranlage auf Dach oder Balkon oder langsames Fahren auf der Autobahn. Wo es sie gibt, nimm staatliche Förderung mit (KfW-Kredite beim Hausbau, Energiegeld etc.).

Wie sieht die aktuelle Zinsprognose aus?

Die EZB orientiert sich bei ihren Zinsprognosen an der sogenannten Kerninflation, die vorübergehende Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln nicht widerspiegelt, sondern die Inflationserwartungen der Wirtschaft reflektiert.

Diese Kerninflation hat sich nicht deutlich verringert. Die EZB sprach für Mai von einem Wert von 5,6 Prozent. EZB-Fachleute gehen im August 2023 davon aus, dass die Kerninflation 2023 im Durchschnitt bei 5,1 Prozent liegen wird, im Jahr 2024 noch bei 2,9 Prozent und erst 2025 auf vertretbare 2,2 Prozent absinkt.

Um die Kerninflation, also die Inflationserwartungen der Wirtschaft, weiter zu reduzieren und glaubhaft zu bleiben, kann es sein, dass die Notenbank weitere Zinsschritte vornehmen muss. Allerdings würde dies wohl die deutsche Wirtschaft weiter belasten, eine Rezession ist nicht ausgeschlossen. Für die Wirtschaft des Euroraums erwarten EZB-Fachleute dagegen ein Wachstum von 0,7 Prozent für 2023, 1 Prozent für 2024 und 1,5 Prozent für 2025.

In der EZB-Pressekonferenz vom 14. September äußerte sich EZB-Chefin Christine Lagarde zurückhaltend zu weiteren Zinsschritten: „Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die EZB-Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden“.

Wie sieht die aktuelle Inflationsprognose aus?

Für die Eurozone hatte die EZB ihre Inflationsprognose mehrmals angepasst. In ihrer letzten Prognose vom September 2023 gehen die Experten für die kommenden Jahre von folgender Inflation für die Eurozone (Durchschnitt) aus:

  • 5,6 Prozent für 2023,
  • 3,2 Prozent für 2024 und
  • 2,1 Prozent für 2025.

Bei der Kerninflation (Teuerung ohne Energie und Lebensmittel) erwarten die EZB-Experten für die Eurozone durchschnittlich folgende Werte im September 2023:

  • 5,1 Prozent für 2023,
  • 2,9 Prozent für 2024 und
  • 2,2 Prozent für 2025. 

Aktuelle Zinssätze der EZB

Zum 20. September 2023 steigt der Hauptrefinanzierungssatz der EZB („Leitzins“) für mittelfristige Kredite von 4,25 Prozent auf 4,5 Prozent, der Spitzenrefinanzierungssatz für kurzfristige Kredite von 4,5 auf 4,75 Prozent und der Einlagensatz von 3,75 auf 4 Prozent.

Das kannst Du aus dem Text mitnehmen

Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) und die amerikanische Federal Reserve (Fed) nutzen den Leitzins als Instrument, die Geldmenge am Markt und so indirekt die Verbraucherpreise zu steuern. 

Der Leitzins ist der oberste Kreditzins und definiert, wie teuer es für Banken ist, Zentralbankgeld nachzufragen.

Je höher der Leitzins, desto teurer ist es für Banken, sich Geld zu leihen. Die Nachfrage sinkt, Geld wird knapper, die Preise steigen. Umgekehrt bedeutet ein niedriger Leitzins oft eine höhere Nachfrage nach Geld, mehr Geld ist im Umlauf und Preise sinken. 

Ziel der EZB ist es, den Leitzins so zu setzen, dass mittelfristig eine Inflation von 2 Prozent gegeben ist. Das gibt Verbrauchern und Produzenten Impulse, Geld in die Hand zu nehmen – also zu konsumieren oder zu produzieren –, bevor es auf Sparkonten weniger Wert wird. Das hält die Wirtschaft am Laufen. 

Es gibt Situationen, in denen die Zinspolitik an ihre Grenzen stößt. Etwa, wenn der Leitzins bereits auf null steht, es also gratis Zentralbankgeld gibt, aber die Nachfrage danach ausbleibt. Das kann in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit der Fall sein, wie etwa während der Staatsschuldenkrise 2012 bis 2015 oder nach Ausbruch der Corona-Pandemie 2020.

Andererseits gibt es Umstände, die eine Zinspolitik vielleicht ins Leere laufen lassen. Etwa dann, wenn die Preissteigerungen wie im Moment durch ein knappes Angebot an Energieträgern ausgelöst sind. Entscheidend für die EZB sind aber die Inflationserwartungen der Wirtschaft bzw. die Entwicklung der sog. Kerninflation, die Preisschocks bei Energie und Lebensmitteln nicht berücksichtigt.

Im Mai 2022 plädierte EZB-Chefin Lagarde für eine Normalisierung der Geldpolitik, da die Inflationserwartungen in der Euro-Zone nun im deutlich positiven Bereich lägen. Eine ultralockere Geldpolitik, die disinflationäre Tendenzen (Preisdruck nach unten bei lahmender Wirtschaft) bekämpfen sollte, sei nicht mehr angebracht.

Am 21. Juli 2022 gab die EZB bekannt, den Hauptrefinanzierungssatz von null auf 0,5 Prozent anzuheben. Der Einlagenzins wurde auf null Prozent angehoben. Zum 14. September und 2. November stiegen alle Zinsen erneut um jeweils 0,75 Prozentpunkte an; zum 21. Dezember 2022, 8. Februar 2023 und 22. März 2023 um weitere 0,5 Prozentpunkte, zum 20. Mai, 21. Juni, 2. August und 20. September um jeweils 0,25 Prozentpunkte.

Immobilienkreditzinsen verbleiben auf hohem Niveau. Sparzinsen steigen. Als Verbraucher streust Du Deine Geldanlage am besten. Investiere einen Teil in internationale Aktienfonds (ETFs), mische vielleicht etwas Gold bei, kaufe eine Immobilie nur, wenn Du planst, selbst einzuziehen und ordentlich Eigenkapital mitbringst. Lasse einen Puffer auf dem Girokonto liegen.

Häufige Fragen zum Leitzins (FAQ)

Wie funktioniert der Leitzins?

Der Leitzins beeinflusst die Geldmenge am Markt und diese beeinflusst die Verbraucherpreise, so die ökonomische Theorie.

Ganz einfach gesprochen: Ist der Leitzins gering und mehr Geld am Markt zur Verfügung, ist jeder einzelne Euro weniger Wert. Preise für Güter erhöhen sich, die Inflation nimmt zu.

Umgekehrt: Setzt man den Leitzins hoch, nimmt man Geld vom Markt, jeder einzelne Euro ist mehr wert. Preise sinken, die Inflation nimmt ab.

In einem Gleichgewicht mit stabilen Preisen und stabiler Wirtschaftsleistung wäre der Leitzins so gesetzt, dass Banken eine bestimmte Geldmenge nachfragen und diese als Kredite weiter in die Wirtschaft geben (Geldangebot entspricht Geldnachfrage).

Unternehmen und Privatleute investieren entsprechend. Ein Teil des Geldes wird verkonsumiert. Der Rest landet auf den Sparkonten (Sparquote entspricht Investitionsquote).

Was bedeutet ein höherer Leitzins für Immobilienkäufer?

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